12.05.2020
Corona - kurz und knapp - 14. Mai
Ein Wort zum Tage von Pfarrer Manfred Hilsemer
„Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ So steht es im Alten Testament.
Seit Jahrzehnten spricht mich diese Botschaft immer wieder neu an. -
Wie oft sehe ich in frustrierte, verhärtete Gesichter, wie oft bin ich entsetzt, wenn ich bei meinen Mitmenschen sehe, wie hasserfüllt sie menschenverachtende Theorien vertreten und verbohrt darauf bestehen, dass sich die ganze Welt gegen sie verschworen hat!
Gott sei Dank gibt es die Botschaft: „Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“ Ich sehe doch nur das Äußere, sehe nur die Maske, die mein Gegenüber trägt, sehe eben nicht, was sich dahinter verbirgt. Aber Gott – Gott sieht den Menschen so wie er ist - so wie er ist, wenn er alle Masken und Schutzschilder abgelegt hat. Also überlasse ich die letztendliche Beurteilung meines Gegenübers getrost meinem Gott! Das entlastet ungemein.
Vor kurzem bin ich in den Schriften von Albert Schweitzer, dem großen Theologen, Urwaldarzt und Friedensnobelpreisträger, auf eine Aussage gestoßen, die gut zu meinen Überlegungen passt. Er schreibt über seine Konfirmationszeit folgendes:
„In den letzten Wochen des Unterrichts behielt Pfarrer Wennagel nach jeder Stunde einige von uns zurück, um mit jedem unter vier Augen über die Konfirmation zu reden. Als die Reihe an mich kam und er in liebevollem Fragen von mir erfahren wollte, mit welchen Gedanken und Entschlüssen ich der heiligen Stunde entgegen ginge, fing ich an zu stottern und ausweichend zu antworten. Es war mir unmöglich, so gern ich ihn hatte, ihn in mein Herz blicken zu lassen. Die Unterhaltung nahm ein trauriges Ende. Ich wurde kühl entlassen. Bekümmert sagte der Pfarrer nachher zu meiner Tante, dass ich als ein Gleichgültiger zur Konfirmation gehe. - In Wirklichkeit aber war ich in jenen Wochen von der Heiligkeit der Zeit so bewegt, dass ich mich fast krank fühlte.“
„Der Mensch sieht was vor Augen ist, Gott aber sieht das Herz an.“
Pfr. Manfred Hilsemer, Eisenach.
Andacht Hilsemer 4.1