20.04.2020
Corona - kurz und knapp - 22. April
Ein Wort zum Tage von Pfarrer Gerhard Reuther
Haben Sie jemals über den Gärtner nachgedacht? Das Johannesevangelium berichtet rund um die Ereignisse am Ostermorgen an Jesu Grab über ein unauffälliges, aber bei genauerem Hinschauen, interessantes Detail. Maria aus Magdala findet am Ostermorgen das Grab Jesu leer vor, zu dem sie in aller Frühe geeilt war, um ihn zu beweinen. Zwei Engel sagen ihr, daß Jesus auferstanden sei. Als sie sich umdreht um zu gehen, steht Jesus vor ihr, den sie aber nicht erkennt. Sie meint vielmehr, dieser Mann sei der Gärtner, der Friedhofsgärtner, würden wir heute vielleicht sagen. Aber der war es nicht.
Ich kenne das Johannesevangelium nun schon seit einigen Jahrzehnten, aber erst kürzlich kam mir die eingangs gestellte Frage erstmalig in den Sinn.
Wo war eigentlich der Gärtner an diesem Morgen? Er mußte doch wissen, welch prominenter Leichnam in diesem Grab ruht. Wußte er vielleicht nichts von der Vorhersage Jesu, daß er am Ostermorgen auferstehen würde, oder hat er das einfach nicht für voll genommen? Hatte er vielleicht Angst vor den Soldaten, die das Grab bewachten, wie es Matthäus in seinem Evangelium berichtet, oder hatte er Order dem Grab fern zu bleiben? Oder war es zu früh für ihn, oder ging sein Dienst offiziell erst später los, oder hatte er den Wecker nicht richtig gestellt? Oder: hat es ihn einfach nicht interessiert? Nun, das sind letztlich alles nur Spekulationen, denn der Mann wird in keiner Weise mit dem Ostergeschehen in Verbindung gebracht, und hat für die Geschehnisse keinerlei Bedeutung.
Aber: er hat die Chance seines Lebens verpaßt, dem auferstandenen Jesus als einer der Ersten zu begegnen und damit zu erleben, daß Gott die Menschen liebt und dem Leben zum Durchbruch durch den Tod verholfen hat. Es gibt nun keine Verurteilung für die, die Jesus Christus vertrauen, wie Paulus an die christliche Gemeinde in Rom später schreibt. Interessanterweise sind es ausgerechnet die Soldaten gewesen, die das Grab bewachten, die die Auferstehung Jesu als allererste miterlebt haben. Nicht die Jünger, denen es Jesus sogar angekündigt hatte – die es also hätten wissen müssen! Und eben auch nicht der Gärtner, der doch gewußt haben muß, daß da dieser Jesus beigesetzt wurde, dem kurz zuvor ein so dramatischer Schauprozeß gemacht worden war. Sondern Soldaten, die faktisch nur einen Befehl ausführten, der darauf abzielte, daß sie verhindern sollen, daß jemand den Leichnam stiehlt und dann die Falschnachricht in die Welt setzt, Jesus sei auferstanden, obwohl es gar nicht stimmt. Menschen also, die weder zu den Nachfolgern Jesu gehörten noch überhaupt ein Interesse an diesem Mann hatten.
Seitdem sind 2000 Jahre vergangen, und Generationen von Menschen haben dank des Osterfestes die Chance gehabt, dem auferstandenen Jesus Christus zu begegnen. Ich möchte gern ein kurzes Gedankenspiel mit ihnen machen. Stellen sie sich vor, sie würden in einem Osterspiel mitwirken. Welche Rolle würden sie sich selbst geben, abgesehen von Jesus Christus? Die eines unbeteiligten Soldaten? Oder die eines Jüngers, der zwar um die angekündigte Auferstehung wußte aber es wohl nicht so recht glauben konnte, oder der Maria, die zum Grab kam um Jesus zu beweinen? Oder aber die des Gärtners, der nicht einmal wenigstens neugierig war und so die Chance seines Lebens verpaßt?
Welche Rolle es aber auch sein mag, ich wünsche ihnen, daß sie zumindest neugierig sind und die Chance beim Schopfe packen, die ihnen das Osterfest gibt um in ihrem eigenen Leben zu erfahren, daß Gottes Liebe stärker ist als der Tod. Gott hat Frieden mit den Menschen gemacht, dafür steht Ostern. Nun ist es an uns, Frieden mit Gott und untereinander zu machen. Gott hat gezeigt, daß er barmherzig ist. Er will, daß wir mithilfe der Kraft und Energie, die er uns schenkt, im Vertrauen auf den Beweis seiner Liebe, Jesus Christus, unser Leben auf dieser Erde im Streben nach Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen leben und gemeinsam unseren Lebensweg in der Hoffnung auf das Leben in seiner neuen Welt nach unserem irdischen Tod gehen. Denn dort ist das Ziel allen menschlichen Lebens und dort wird endlich das Wirklichkeit, wonach wir uns im Grund alle sehnen: kein Tod, kein Leid, keine Klage, keine Schmerzen, wie es im Buch der Offenbarung steht. Ein Leben in wirklichem Frieden!
Gerhard Reuther aus Ruhla
Andacht Gerhard Reuther