20.05.2020
Corona - kurz und knapp - 23. Mai

Ein Wort zum Tage von Vikarin Friederike von Bibra

Eine Postkarte. Blau. Blauer Himmel, blaues Meer, zwei blaue in die Luft springende Delphine. Blaue Wasserspritzer. Dazu ein silberner Fotorahmen und weiße Schrift über dem Bild: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ steht da. Dieses Ensemble stand eine Weile auf meinem Schreibtisch. Seitdem bin ich schon mehrfach umgezogen, habe neue Dekoration für den Büroarbeitsplatz gestaltet, und doch ist der Vers noch nicht vergangen. Im Gegenteil. Er hat in diesen Tagen an neuer Bedeutung für mich gewonnen.

Wann war Ihre letzte Umarmung? Ihr letztes jemandem physisch nahe sein? Meine beste Freundin hat neulich ihr erstes Kind gekriegt. Ich darf Patentante sein. Welch ein Geschenk. Aber was so eigentlich dazu gehört, ist derzeit nicht möglich, denn: Gehalten habe ich nicht den Wonneproppen, sondern Abstand.

Und so ist mir der Inhalt von „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ in einer neuen Dimension bewusst geworden.

Nahe sein – das ist derzeit an vielen gewohnten Stellen eine Rarität geworden. Verboten oder aus Vorsicht gemieden. Aber einen Bereich gibt es, da gibt es keine Nähe-Barrieren. Zu Gott brauche ich keine 2 Meter Sicherheitsabstand. Er darf zu mir ins stille Kämmerlein, mit mir auf einen Spaziergang, gemeinsam eine Kirchenbank teilen; selbst essen und singen ist erlaubt in seiner Gegenwart. Was für ein Privileg das ist, das zeigen die Corona Umstände auf eine neue Weise, wo so viel Gewohntes an Nähe nicht möglich ist.

Wobei natürlich Gottes Nähe gar nicht immer das ist, was ich suche. Es gibt genug Dinge in meinem Leben, da halte ich lieber den Sicherheitsabstand zu Gott ein. Damit er mich nicht ansteckt – nicht mit einem Virus – sondern mit seiner Liebe, sodass ich vergeben müsste, mit seinem Erbarmen, sodass ich teilen müsste, mit seiner Heiligkeit, sodass ich mich reinigen müsste.

Doch auf der anderen Seite hätte keiner von uns Leben ohne Gottes Nähe. Wem er nicht den Atem einhaucht… Und Gott kann das aushalten, dass wir nur begrenzt seine Nähe aushalten. Aber er sehnt sich nach mehr. Und wo wir uns darauf einlassen, dort ist Fülle Gottes erlebbar. Das Leben in seiner Gegenwart ist nicht unbedingt leichter als das Leben ohne ihn, aber es ist reich, gefüllt, zukunftssicher.

Es stimmt eben doch: Gott nahe zu sein ist mein Glück. In seiner Nähe kann ich Hoffnung tanken. In seiner Nähe kann ich Lasten ablegen. Ich seiner Nähe kann ich weinen. In seiner Nähe werde ich aufgerichtet.

Ich kann und darf mich ihm nahen. Ein in der Corona Zeit neuentdecktes Glück.

Auch Ihnen – und ehrlich gesagt auch weiterhin mir selbst – wünsche ich, dass sich das Wort Gottes immer wieder neu und auch tiefer erschließt und uns Nahrung ist für das Leben im Hier und Jetzt mit all den derzeitigen Gegebenheiten, wie auch Nahrung für das kommende Leben.

Vikarin Friederike von Bibra, Creuzburg

Andacht FvBibra. 3 mp3