25.04.2020
Corona - kurz und knapp - 30. April
Ein Wort zum Tage von Vikarin Friedericke von Bibra
Eine Zeit lang lag bei meiner Großmutter auf dem Gäste-WC ein Buch mit jüdischen Witzen. Waren wir zu Besuch, las ich ab und zu darin; aber verstanden habe ich kaum etwas. Ich wusste damals noch nicht genug über die jüdische Geschichte und die jüdische Kultur, um diesen Humor erfassen zu können. Bei einem Witz aber dachte ich, doch etwas kapiert zu haben. Er geht folgendermaßen: „Warum antwortet ein Jude auf eine Frage immer mit einer Gegenfrage?“ – „Warum sollte ein Jude auf eine Frage nicht mit einer Gegenfrage antworten?“
Tja, dachte ich mir, das ist doch mal eine Strategie, um Antwort zu geben, wenn man keine Antwort geben will. In Prüfungen ist das nicht unbedingt die angesagte Methode, aber im privaten Gespräch, dachte ich mir, könnte das ja durchaus nützlich sein.
Jahre später habe ich verschiedene Rabbiner kennen gelernt und entdeckte eine ganz andere Dimension dieses sogenannten Witzes. Da wurde auf eine Frage mit einer Gegenfrage geantwortet – aber nicht, um einer Auskunft auszuweichen, sondern vielmehr, um mich zum Denken anzuregen und mir meinen Horizont zu erweitern. Anstatt pauschale Lösungen anzubieten, wurde ich in die Antwortsuche miteingebunden und durfte daran teilhaben, zu welchem Ergebnis wir kommen würden.
Ich fand heraus, dass die Gegenfrage nicht als Ausflucht gestellt wurde, sondern vielmehr um meinetwillen.
Wie sieht so eine Frage aus? Eine Begebenheit, in der eine solche Frage vorkommt, ist uns im Evangelium nach Johannes überliefert.* Die Geschichte ist 2000 Jahre alt, aber eine Person von damals lebt auch heute. Das haben wir neulich an Ostern gefeiert. Und Jesus stellt diese Frage noch immer. Er stellt die Frage nicht, um sein Wissen zu erweitern, das hat er nicht nötig. Er fragt, um zu meinem Herzen vorzudringen. Er fordert mich heraus. Er schenkt mir in seiner Frage eine neue Chance, mit meiner Biographie zurecht zu kommen. Er fragt, damit Kommunikation in unserer Beziehung stattfindet. Er fragt, um mir Sicherheit zu geben. Im Bibeltext ist zu entdecken, dass er diese Frage ganz persönlich stellt – das kann ich hier nicht imitieren. Aber ER nennt dich beim Namen, wenn er dich fragt:
Liebst du mich?
*Johannes 13,36-38; 18,12-27; 21,15-23.
Vikarin Friederike von Bibra, Creuzburg.
Andacht FvB 2 neu